POESIE IN MÖBELN
Der Brüsseler Sébastien Caporusso beherrscht die Kunst des Unikates ebenso wie komplette Interieurs. In jedem Fall besticht er durch die Poesie seiner Arbeit. Meisterhaft verbindet der Designer des Jahres 2021 organische Gegensätze, überraschende Ausschnitte, edle Materialien und lokale Handwerkskunst.
Talent muss sich nicht über die Jahre entwickeln. Es kann von Anfang an da sein. Diesen Eindruck hinterlässt die Arbeit des jungen Kreativen Sébastien Caporusso. Jenseits seiner starken ästhetischen Idee beeindruckt er durch Überzeugungen. Sein nachhaltiger Design-Ansatz setzt auf edle, oftmals recycelte Werkstoffe und regionale Fertigung. Er schildert für uns seine Kunststrategie und gewährt offen Einblick in seine Vision.
Schlichtheit, edle Werkstoffe, nachhaltige Bezugsquellen… wie definieren Sie Ihren Designansatz?
Sébastien Caporusso: Ich lege Wert auf das Zusammenwirken und Interagieren verschiedener Teile ein und desselben Ensembles. Gleichzeitig berücksichtige ich den Raum an sich sowie seine Emotionen, die Seele seiner Bewohner. Meine Kunden sollen mit dem Material leben, bei einer Holzmaserung verweilen, die Farbvariationen des Marmors genießen, auf Details achten, besonders auf die Wahl allzu oft vernachlässigter Werkstoffe. Ich arbeite mit belgischen Handwerkern zusammen und verfolge den gesamten Prozess, von der Auswahl der Rohstoffe bis zur Fertigung und zur Platzierung der Objekte bei meinen Kunden. Ich habe meine Stücke komplett unter Kontrolle.
Aktuell geht der Trend stark in Richtung organisches Design. Bekennen Sie sich zu dieser Strömung?
S. C.: Das Wort ist in aller Munde, im Grunde jedoch stehen Charlotte Perriand und Alvar Aalto hinter dieser Bewegung. Sie sind die Pioniere jener geschwungenen, oft unregelmäßigen Kurven und Linien. Sie inspirieren mich, aber sie sind nicht Ziel meiner Arbeit. Viel mehr finde ich meine formalen, ästhetischen Impulse im Tier- und Pflanzenreich und sogar beim Menschen.
Woraus schöpfen Sie Ihre Inspiration als Designer?
S. C.: In unserer digitalisierten, schnelllebigen, mitunter entmenschlichten Zeit schöpfe ich stark aus der japanischen Kultur. Sie schafft eine glückliche Verbindung von Schönem und Nützlichem, mitunter sogar Nutzlosem, sicherlich der größte Luxus überhaupt. Ohne eine Inspiration zu vergessen, die in krassem Widerspruch zu Japan steht: Brasilien. Dieses Land mit seiner brodelnden Energie hat in den 1950ern unglaubliche Architekten und Designer hervorgebracht. Sie lassen mich das Verblüffende suchen und inspirieren mich zu meinen Möbel-Skulpturen.
Alle rühmen die Poesie Ihrer Arbeit. Inwiefern sind Sie ein Poet schöner Dinge?
S. C.: Jedes Projekt bildet Anlass, eine starke Identität mit einem Hauch Poesie und Eleganz neu zu variieren. Ich liebe es, wenn Feinheit und Leichtigkeit einen Kontrast bilden zu den von mir verwendeten schweren Materialien. Im Grunde besteht die Aufgabe von Designern darin, Objekte zu entwerfen, die sowohl ästhetischen wie funktionalen Kriterien genügen müssen. Wenn ich da etwas Traumhaftes einbringen kann, bin ich froh.
Sie wurden zum Designer des Jahres 2021 gekürt: Welche Projekte haben Ihre Laufbahn besonders geprägt?
S. C.: Jedes Projekt hat seine eigene Bedeutung, ungeachtet seiner Größe. Es ist ein Glück, bei jedem Projekt zurück auf Anfang zu gehen.
Bildnachweise: Sébastien Caporusso, Depasquale & Maffini,