WELTENBUMMLERIN
Kult, frei, unersetzlich – Der „Navonestil“ ist nicht leicht in Worte zu fassen, er zerrinnt zwischen den Fingern wie die schuppen bei einem Fisch, ihrem Lieblingstier, einem immer wiederkehrenden Motiv und dem Sternzeichen der großen Designerin.
Traditionelle Designkonzepte sind ihr egal und sie lässt sich nicht einordnen. Paola Navone lässt seit über 30 Jahren ihre kosmopolitische und begeisternde Sicht der Welt in ihre Arbeit als Designerin einfließen.
Sie stammt ursprünglich aus Turin, wo sie an der angesehenen Polytechnischen Universität ihren Abschluss machte. 1979 schloss sich die junge Designerin dann in Mailand der berühmten Avant-Garde Gruppe Studio Alchimia an. An der Seite von solch illustren Schöpfern wie Ettore Sottsass, Alessandro Mendini und Andrea Branzi verfeinerte sie ihren unkonventionellen Ansatz.
Ihre Kreationen voller Sinnlichkeit und Freude weisen die Farben und Düfte ihrer zahlreichen Reisen in die ganze Welt auf und die Seele der Weltenbummlerin steckt in jeder ihrer Arbeiten
Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Osaka International Design Award. 2000 wurde sie von Architektur & Wohnen zur Designerin des Jahres ernannt. In ihrem Studio ist ihre neue Sofa-Kollektion für Baxter, Casamilano und Natuzzi zu bewundern und Paola verrät uns, dass sie an einem neuen Hotelkonzept für Florenz arbeitet: Pop, colorful and funny.
Hat jemand was von aufhören gesagt?
Design ist inzwischen allgegenwärtig. Was bedeutet Design für Sie im Jahr 2021?
Paola Navone: Design muss sich der Frage der Nachhaltigkeit und des gesellschaftlichen Wohlbefindens stellen. Heutzutage ist es wichtig für uns, dass wir uns in den Räumen, in denen wir leben, wohlfühlen.
Es muss Spaß machen, gemeinsame Räume auf unkomplizierte Weise zu teilen, sodass jeder Mensch seinen Platz darin findet.
Sie sind Designerin, Architektin, Bühnenbildnerin, künstlerische Leiterin für bekannte Marken und Beraterin der Weltbank – gibt es etwas, das Sie nicht sind?
P. N.: Ich fühle mich als Nomadin. Meine unstillbare Neugier nach Menschen, Kulturen und Orten ist die Triebkraft meiner Kreativität. Das treibt mich dazu an, immer Neues auszuprobieren.
Was war die größte Herausforderung in Ihrer Laufbahn?
P. N.: Jedes meiner Projekte ist ein neues kreatives Abenteuer und eine kleine Herausforderung. Bei meiner Arbeit versuche ich immer ein gewisses Maß an Unvollkommenheit einzubauen, das die handwerkliche Arbeit ausmacht, auch wenn es sich um industrielle Aufträge handelt.
In all Ihren Werken sind die Spuren Ihrer Reisen spürbar.
Wie gelingt es Ihnen, diese Inspirationen in Ihre Arbeit einfließen zu lassen?
P. N.: Für mich ist Reisen gewissermaßen so viel wie Atmen. Egal, wohin es geht, wichtig ist die Änderung des Blickwinkels auf die mich umgebenden Dinge. Das gilt für eine Reise ans andere Ende der Welt wie für einen Spaziergang ans Ende der Straße. Alles, was meine Neugier weckt, fließt automatisch in meine Kreativität ein.
Bei Ihrem Ansatz sprechen Sie von einem „Nomaden-Stil“. Was bedeutet das?
P. N.: Ich lasse mich bei meiner Arbeit besonders gern „anstecken“. Sobald mir etwas gefällt, stelle ich es mir an einem anderen Ort vor. Mir gefällt, dass die Gegenstände, die ich von meinen Reisen mitbringe, ihre eigene Geschichte erzählen. Außerdem verbinde ich gern verschiedene Kulturen und ihr technisches Knowhow.
Was ist Ihr Geheimnis, wenn es darum geht, in der Innenausstattung das richtige Gleichgewicht zu finden?
P. N.: Mir gefallen Orte, an denen man sich spontan wohl fühlt. Wenn ich eine Innenausstattung entwerfe, lasse ich mich von wohlwollenden, freundlichen und entspannenden Schwingungen leiten. Ich glaube, dass wir das immer mehr brauchen. Außerdem füge ich gern ein unerwartetes Detail hinzu oder ich verwende ein Material oder einen alltäglichen Gegenstand auf unerwartete Weise. Einen anderen Standpunkt einzunehmen, kann aus etwas Gewöhnlichem etwas Außergewöhnliches machen. Das nenne ich die Kunst des Thammada – thailändisch für „etwas einfaches“ – und das ist inzwischen meine Philosophie.
Bildnachweise: Paola Navone, Otto Studio, Rafael Ethimo, Giovanni Gastel, Nicholas James, Virgin