Kengo Kuma

Kengo Kuma

IM KOKON DER NATUR

Herkömmliche Materialien, Einbettung in die Umgebung, dezidiert zeitgenössische Züge. Vielfach ausgezeichnet, knüpft der Erbauer des Olympiastadions von Tokio 2020, des Konservatoriums von Aix-En-Provence und der Murakamibibliothek in Tokio seine Architektur an edle Prinzipien.

Kengo Kuma zählt zu den bekanntesten japanischen Architekten der Gegenwart. Seit bald fünfzig Jahren realisiert er Großprojekte rund um den ganzen Erdball. Dabei ist Frankreich eine bevorzugte Spielstätte. Vom US-Magazin Time zur Person des Jahres 2021 gekürt, wird er nicht müde, seinen Beruf und Werdegang kritisch und bescheiden zu betrachten.

Kengo Kuma
Kengo Kuma

Ihre Karriere als Architekt ist ein Langzeitprojekt. Was sagen Sie rückblickend zu Ihren ersten Bauten?

Kengo Kuma: Ich startete meine Karriere mitten in einer sogenannten Wirtschaftsblase. Zu Beginn realisierte ich Projekte, die Furore machten, Aufmerksamkeit weckten. Durch sie konnte ich mich im Kreise meiner Vorgänger profilieren. In gewisser Weise haben sie mir ermöglicht, mich architektonisch von Anfang an zu verwirklichen.

Ihr Weg ist gesäumt von Preisen und Auszeichnungen. War die Anerkennung Ihrer Kollegen und der Öffentlichkeit ein wichtiges Ziel für Sie?

K. K.: Noch vor Kurzem war die Architektur in Japan ein diskretes Metier, die Urheber wurden in den Medien nicht namentlich genannt. Im Unterschied zu Europa, wo die Architekten öffentlich präsent sind, war der Beruf hierzulande gesellschaftlich weder anerkannt noch geschätzt. In dieser Hinsicht waren die Auszeichnungen und der Medienrummel segensreich. Das rückte den öffentlichen Fokus endlich auf die Architekten an sich.

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Betrachten Sie sich als Künstler?

K. K.: Heutzutage verschwimmen die Grenzen zwischen Künstler und Architekt. Manche Künstler zeigen Werke, die beinah schon Architekturstatus haben. Architekten wie ich versuchen Gebäude zu entwerfen, die eine Philosophie spiegeln oder neue Lebensformen anbieten. Ich bin beides.

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Wie war es um den Architektursektor zuletzt bestellt?

K. K.: Der Ukrainekrieg, internationale Konflikte und andere komplizierte Umstände haben die Architektur hart getroffen. Wie auch die Pandemie weiter ihre Spuren hinterlässt. Der ganze Kontext war ungünstig für die Architektur; mein Eindruck ist, dass Bauen in Zukunft immer schwieriger werden wird. Gleichzeitig wird das für uns Anlass sein, die Rolle des Architekten zu überdenken und neu zu definieren.

Woran arbeiten Sie momentan?

K. K.: Es gibt eine Reihe laufender Projekte, auf die ich nicht näher eingehen kann. Am wichtigsten ist mir aktuell die Dezentralisierung meines Tokioter Büros. Ich lasse mein Team Niederlassungen quer durch Japan errichten. Jeder soll woanders Fuß fassen und vor Ort starke Beziehungen knüpfen. Das halte ich für die beste Möglichkeit, um in Post-Pandemie-Zeiten zu überleben.

KKAA plante die Umgestaltung des Albert-Kahn-Museums, das unlängst südwestlich von Paris neu eröffnete. Inwiefern gehorcht Ihr Bau den Träumen jenes einzigartigen Mannes, der die Schönheiten dieser Welt archivieren wollte?

K. K.: Zu Albert Kahns schönsten Vermächtnissen zählen seine Gärten. Nicht nur japanische, auch jene, die andere Länder repräsentieren. Er war sehr empfänglich für die Besonderheiten fremder Kulturen und wollte sie in seinem Museum naturgetreu nachbilden. Ein solches Vorgehen ist mir insofern höchst sympathisch, als ich glaube, dass Gärten oder Landschaften eine tiefere Bedeutung haben als die Architektur. Hoffentlich zeigt mein Beitrag zur Wiedereröffnung des Museums den großen Respekt, den ich diesem Mann entgegenbringe.

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Bildnachweise: KKAA, J.C. Carbonne, Keishin Horikoshi/SS, Kosuke Nakao/SS, Marcin Sapeta, Michel Denance